Li Dafang
MAKE WAY! MAKE WAY! Painting is an Aversion to All that Glitters

Galerie Urs Meile Lucerne
October 30, 2009 - January 30, 2010

 

Press Release – English

Li Dafang’s (born in Shenyang in 1971) paintings have departed from the new generation of figurative painters such as Liu Xiaodong and filmmakers such as Jia Zhangke, who have emerged in the spotlight since the mid-1990s. At that time, there was a collective return of the artistic community to everyday life which was extremely dramatic and dynamic in itself. What the artists had to do was to extract samples from this social reality and then represent them without having to demonstrate any critical or analytical position. But the temptation and need to truthfully document and expose a fast-moving and powerful reality is less urgent today, as exemplified by artists such as Li Dafang. For Li, what connects his art to his own being is less the subject matter his paintings depict or its relationship to society than the possibility of experiencing and reflecting through the act of painting on what painting means to him on an individual level.

Li Dafang strongly advocates the withdrawal of any expectation that art should have a function. The attempt to resist such expectations is exemplified in ‘painting is an Aversion to All that Glitters’, the subtitle of his solo exhibition MAKE WAY! MAKE WAY! at Galerie Urs Meile in Lucerne.

Li Dafang presents in this exhibition a series of seven works completed in 2009 that were created through an expression of attitude rather than a theme. There is no radical stylistic rupture or conceptual transition from his paintings of the last few years, but more of a continuation. His detailed brushwork is unmistakably Li Dafang, the foggy quality is enduringly present, the trees cannot be mistaken, and the senseless scenarios are still perplexing.

From very early on, the artist revealed his grand ambition to carve out a space for drama and storytelling, the flat surface of his canvases are the equivalent of a theatrical stage. He recalls his childhood exposure to, and fixation on, theatre and literature. He paints human figures, depicts scenarios, creates tensions, invents dialogues and monologues for his characters, gives out clues, designs plots of suspense, and emulates the effect of the long exposures found in movie making. He is the scriptwriter of all the absurdities in his paintings; he has tight control over the narrative structure and won’t let it run on its own free will. Yet, the artist will hasten to add that the narratives in his paintings are not to be trusted. They simply make no sense, and it’s no use trying to piece a story together from what he chooses to paint in such meticulous detail. No one other than the artist can figure out the puzzles or bring any logic to his images.     However, the discrepancies between the depicted and the actual in Li Dafang’s paintings, although it’s often an impossible task to gauge the degree of absurdity between the two, are almost imperceptible and securely concealed in the contained space of his canvases. It’s no surprise that Li Dafang is a fervent admirer of Alfred Hitchcock, whose strength lay in his ability to formulate suspense through the extension of time and the closing in of space in his story-telling. The simultaneous depiction of everyday situations and hints of potential danger, as well as the obliviousness of his protagonists to their immediate jeopardy, played masterfully on the fear that exists deep within our subconscious minds.   But Li Dafang’s paintings are far away from playing exclusively on instinct. The artist is confidently in charge of bringing together various possible elements of theatricality despite their obvious incompatibility with each other. His recent addition of wooden stairways and ladder-shaped podiums to support the canvases, or enlarged and elaborate wooden frames, defies easy classification or interpretation. It’s another Hitchcock-esque strategy. Images of staircases often play a central role or are featured prominently in Hitchcock's films; his stylistic interest in staircases can be attributed to the influence of German Expressionism which often featured heavily stylized and menacing staircases. Yet the staircases in Li Dafang’s painting installations are more stylistic than symbolic. They are bulky, artificial, and conspicuous, lending a solemn and monumental quality to Li’s canvases, yet they bear no responsibility in conveying meaning. As the artist points out, they are, instead, an embodiment of his attempt to understand and exercise perception about what is painting and what is art.

Text: Carol Yinghua Lu (2009)

 

Press Release – Deutsch

Die Bilder von Li Dafang (*1971 in Shenyang) haben sich aus der neuen Generation von gegenständlichen Malern wie Liu Xiaodong und Filmemachern wie Jia Zhangke entwickelt, die seit Mitte der 1990er Jahre ins Rampenlicht getreten sind. Zu jener Zeit fand eine kollektive Rückkehr der Künstler zum Alltagsleben statt, die sich damals enorm dramatisch und dynamisch gestaltete. Die Künstler mussten dafür Beispiele aus der gesellschaftlichen Realität entnehmen und sie wiedergeben, ohne jedoch eine irgendwie geartete kritische oder analytische Position zu beziehen. Doch die Versuchung, ja das Bedürfnis, eine rasch veränderliche und kraftvolle Wirklichkeit wahrheitsgemäss zu dokumentieren und zu entlarven, ist heute weniger dringlich, was uns Künstler wie Li Dafang zeigen. Was für ihn seine Kunst mit dem eigenen Dasein verknüpft, ist weniger die Thematik seiner Bilder oder ihr Verhältnis zur Gesellschaft, sondern die Möglichkeit, durch den Akt des Malens zu erleben und zu reflektieren, was Malen für ihn auf der individuellen Ebene bedeutet.

Li Dafang macht sich zum vehementen Fürsprecher des Verzichts auf jegliche Erwartung, dass Kunst eine Funktion haben sollte. Der Versuch, solchen Erwartungen entgegenzusteuern, zeigt sich exemplarisch in „Painting is an Aversion to All that Glitters“ (Malerei ist Abneigung gegen alles, was glänzt), dem Untertitel seiner Soloausstellung MAKE WAY! MAKE WAY! in der Luzerner Galerie Urs Meile.

Li Dafang stellt bei dieser Ausstellung eine Serie von sieben im Jahr 2009 geschaffenen Arbeiten vor, die als Ausdruck einer Haltung und weniger aus einem Thema heraus entstanden sind. Es gibt keinen radikalen Stilbruch und keine konzeptuellen Übergänge zu seinen Werken der letzten Jahre, eher schon deren Fortsetzung. Der Pinselstrich im Detail ist unzweifelhaft Li Dafang, der nebelhafte Eindruck ist weiterhin deutlich gegeben, die Bäume sind schwer zu verwechseln, und die sinnentleerten Szenarien immer noch verblüffend.

Von Anfang an offenbarte der Künstler seinen grossen Anspruch, dem Dramatischen und dem Geschichtenerzählen einen Platz zu erarbeiten: die Flächen seiner Leinwand sind somit Entsprechungen einer Theaterbühne. Aus der Kindheit berichtet er von seinen Erfahrungen mit Theater und Literatur, und von deren Faszination auf ihn. Er malt menschliche Gestalten, bildet Szenarien ab, schafft Spannungen, erfindet Dialoge und auch Monologe für seine Figuren, streut Schlüsselhinweise ein, entwirft Storybögen und bildet den Effekt der Langzeitbelichtungen nach, die es beim Filmemachen gibt. Das Drehbuch zu all den Absurditäten in seinen Bildern schreibt er selbst; er hat die volle Kontrolle über die narrative Struktur, und er lässt ihr auch keineswegs ihren eigenen Willen. Und dennoch wird der Künstler rasch einwenden, dass man den Geschichten in seinen Bildern nicht über den Weg trauen dürfe. Sie ergeben einfach keinen Sinn, und es bringt wenig, wenn man versucht, sich aus dem, was er in so gewissenhaftem Detail zu malen beschlossen hat, eine kohärente Story zusammenzureimen. Niemand als der Künstler selbst kann diese Rätsel entschlüsseln oder diese Bilder mit einer Logik versehen.

 

Dennoch sind die Diskrepanzen zwischen dem Abgebildeten und dem Tatsächlichen in Li Dafangs Arbeiten – wobei es oft ein Ding der Unmöglichkeit ist, den Absurditätsabstand zwischen den beiden genau zu ermessen – kaum wahrnehmbar und sicher verwahrt in dem geschlossenen Raum seiner Leinwände. Es überrascht wenig, dass Li Dafang ein glühender Bewunderer von Alfred Hitchcock ist, dessen grosse Stärke ja in der Fähigkeit zum Erzeugen von Spannung durch die Ausdehnung der Zeit und die gleichzeitige Reduzierung des Raums lag. Gleichzeitig ganz alltägliche Situationen abzubilden, in denen sich potenzielle Gefahr andeutet, und dazu die Blindheit der Hauptfiguren für die über ihnen schwebende Damoklesschwerter zu zeigen, darin bestand sein meisterhaftes Spiel mit den Ängsten, die in der Tiefe unseres Unbewussten schlummern.

 

Doch Li Dafangs Bilder sind weit davon entfernt, nur mit unseren Instinkten zu spielen. Der Künstler macht es sich selbstsicher zur Aufgabe, verschiedene mögliche Elemente des Theatralischen trotz ihrer offensichtlichen Unvereinbarkeit zusammenzubringen. Dass er seit kurzem hölzerne Treppen und leiterförmige Podien zum Abstützen seiner Leinwände oder auch voluminöse, kunstvoll gearbeitete Holzrahmen verwendet, entzieht sich einer einfachen Beurteilung oder Interpretation. Im Grunde ist es eine weitere Hitchcock’sche Strategie. Ansichten von Treppenstufen spielen in Hitchcocks Filmen oft eine zentrale Rolle oder werden jedenfalls visuell in den Mittelpunkt gestellt; sein Interesse an Stufen und Treppen lässt sich auf einen Einfluss durch den deutschen Expressionismus zurückführen, der ebenfalls häufig extrem stilisierte, bedrohlich wirkende Treppengänge ins Bild rückte. Doch die Treppen bei Li Dafangs Bildinstallationen sind eher stilistisch als symbolisch. Sie sind klobig, artifiziell und auffällig und sie verleihen seinen Werken eine fast feierliche und denkmalhafte Qualität, doch sie erklären sich keinesfalls dafür zuständig, Bedeutung zu vermitteln. Wie der Künstler betont, sind sie vielmehr die Verkörperung seines Versuchs, die Wahrnehmung davon, was die Malerei und was die Kunst ist, zu verstehen und zu üben.

Carol Yinghua Lu (2009)

Dt. v. Werner Richter

[1] Aus einer E-Mail, die der Autorin am 20. August 2009 von Li Dafang weitergeleitet wurde.